Isabella Nadolny: Ein Baum wächst übers Dach
Wir begleiten Isabella und ihre Familie von den 30er Jahren bis in die 50er. Die liebenswerten Charaktere und die sprachliche Schönheit machen den Reiz des Buches aus.
Verlag: dtv Taschenbuch
ISBN: 978-3423252461
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Meine Rezension des Nachfolgeromans: "Providence und zurück"
ISBN: 978-3423252461
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Meine Rezension des Nachfolgeromans: "Providence und zurück"
Woher: Bücherschrank im Karlsruher Stadtgarten
Zusammenfassung
Das Buch beschreibt aus der Ich-Perspektive das Leben der
Protagonistin und ihrer Familie ca. von Anfang der 30er Jahren bis in die 50er.
Die Familie durchläuft in dieser Zeit einige Veränderungen
und Krisen, ausgelöst vor allem durch Hitlers Politik und den Krieg. Dennoch
verändert sich andererseits auch nicht viel – denn die Familie hält stets
zusammen.
Am Anfang des Buches ist die Protagonistin noch ein
Backfisch – und zwar ein ziemlich typischer. Die Familie wohnt in München in
einer Stuckbauwohnung und hat mehrere Dienstboten. Der Vater ist „Kaufmann“,
was bedeutet, dass er die meiste Zeit als Maler arbeiten kann und in der
restlichen Zeit sich um nicht näher genannte Geschäfte im Ausland kümmert, die
Geld abwerfen. Der Bruder Leo regt an, um Geld zu sparen, für die Sommerfrische
ein Sommerhaus zu bauen anstatt immer Pensionen zu mieten. Der Ort des Sommerhauses
ist Seeham in Oberbayern.
Als wegen Devisenstops der Geldfluß aus dem Ausland ins
Stocken kommt, kann sich die Familie die Wohnung nicht mehr leisten und zieht
mit nur einem Dienstmädchen in ihr Sommerhaus. Den Winter über verbringen sie
in Paris, wo die Protagonistin ihr Französisch verbessert und einen Kochkurs
besucht. Im Sommer geht es wieder nach Seeham, wo sich die Heldin mit
Beerensammeln, Radausflügen und Rudern vergnügt. Aus ihren Pläne, den Winter in
Brüssel zu verbringen, wird allerdings nichts. Der Bruder eröffnet ihr, dass
die finanziellen Mittel der Familie mittlerweile so schlecht sind, dass auch
sie, jetzt wo sie ausgewachsen ist, eine Stellung annehmen muss. Nach einem
ersten Schock geht die Protagonistin nach Berlin und nimmt eine Stellung als
Schreibkraft an.
Das Leben in der Stadt hat seine eigenen Herausforderungen
und als der Krieg immer näher rückt, wird das Leben noch schwieriger, die
Familie noch ärmer und Seeham fast unbemerkt von allen zur Heimat.
Die Geschichte erzählt weiter die Verlobung der
Protagonistin, die Geburt eines Sohnes, den Ausbruch des Weltkrieges, den
Rückzug nach Seeham, die Herausforderungen im Krieg und die Zeiten danach.
Persönlicher Eindruck
Der Reiz des Buches liegt in mehreren Dingen. Ich mochte den
Schreibstil sehr; wie die Heldin die Dinge in ihrer Umgebung so zielsicher auf
den Punkt bringt und genau beschreibt – immer mit einer Prise Humor. Sie
jammert oder klagt nicht, auch wenn die Umstände schwierig sind, beschreibt sie
einfach, was ist. Das Buch ist von einer ausnehmenden sprachlichen Schönheit
und man fiebert mit der Familie mit. Auch die Beziehungen der
Familienmitglieder untereinander sind fein beschrieben, allein durch die
Dialoge und die Dinge, die sie zusammen tun.
Lesen oder nicht lesen?
Wer Sprache liebt, starke Familien und Interesse am Besonderen im gewöhnlichen Leben hat, der liegt mit diesem Kleinod völlig richtig. Wer Action erwartet oder große Liebesdramen - der nicht.3 Zitate
„Gestützt auf die
Erfahrungen der Eltern, gelang es mir, die Wälder in Pilzplätze, Beerenplätze,
Tannenzapfenplätze und bloße Aussichtsplätze aufzuteilen. … Der warme
Nadelboden roch so gut, die Wipfel hoch droben knarrten und wetzten, die Tauben
gurrten, die man fast nie fliegen sah, und von fernher drang der Ton bimmelnder
Kirchlein oder Kuhherden. Wenn ich mich nach stummen, eifrigem Pflücken ächzend
aufrichtete und eine Bremse totpatschte, kam es vor, daß ein Rehbock erschreckt
bellte und sich dann samt seinen Damen nicht allzu hastig davonmachte. Ich
blieb länger, als ich ursprünglich vorgehabt hatte, und hätte gern ein Feld-
oder vielmehr ein Waldtelefon gehabt, um Mama Bescheid zu sagen, daß mir immer
noch nichts passiert sei. Doch solche mobilen Nachrichtenmittel waren uns
damals kein Begriff. Die Zeit schien so friedlich, obwohl erst neulich jemand
im Radio eine Rede gehalten hatte, daß Deutschland jetzt die Wehrhoheit wiederhätte.
Wir hatten die Rede abgestellt und weiter Kakao getrunken und Blaubeerkuchen
gegessen.“ [Seite 34]
„Seeham begann, sich
in zwei Kategorien zu teilen: Bei den einen floß das Wasser noch, lief aber nach
unten nicht mehr weg, weil die Gullis eingefroren waren, die anderen mußten das
Wasser vom Brunnen holen, aber die Abflüsse funktionieren noch. Die
Mißvergnügteren waren die von der ersten Kategorie. Es deprimiert sehr, so in
Kontakt mit den eigenen Abfallprodukten zu bleiben.“ [Seite 130]
„Es war schwer, ein
geeignetes Kinderheim zu finden, aber fast noch schwerer, Dicki hinzuschaffen.
Für dringende Fälle stand Seeham ein Holzvergaser-Auto zur Verfügung. … Diesem zweifelhaften Gefährt und einer guten Bekannten vertraute ich den Knaben an, der sich gutwillig von uns trennte. Im Hinnehmen des Unabänderlichen schien er die Grazie seines Vaters geerbt zu haben. Er trommelte mit beiden Fausthandschuhen zum Abschied an die Autoscheiben und sah in seiner aus Wollresten gehäkelten Mütze und dem Mäntelchen aus der geplünderten Militärdecke herzzerreißend lieb aus.
„So, nun legen Sie sich aber endlich hin“, sagte der Arzt. [Seite 178; Zufallszitat]
Für dringende Fälle stand Seeham ein Holzvergaser-Auto zur Verfügung. … Diesem zweifelhaften Gefährt und einer guten Bekannten vertraute ich den Knaben an, der sich gutwillig von uns trennte. Im Hinnehmen des Unabänderlichen schien er die Grazie seines Vaters geerbt zu haben. Er trommelte mit beiden Fausthandschuhen zum Abschied an die Autoscheiben und sah in seiner aus Wollresten gehäkelten Mütze und dem Mäntelchen aus der geplünderten Militärdecke herzzerreißend lieb aus.
„So, nun legen Sie sich aber endlich hin“, sagte der Arzt. [Seite 178; Zufallszitat]
Die Zusammenfassung des Buches finde ich total interessant. Sie macht Lust, dieses Buch zu lesen. Allerdings ist der Preis für die Kindle Version sehr teuer.
AntwortenLöschenJa, es ist nicht billig. Allerdings sind es 10 Euro, die sich lohnen, mMn. Und es gibt ja auch einige günstige Hardcover-Varianten.
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