Sonntag, 26. Februar 2017

Sommer der Enttäuschung von Mabel Esther Allan

Buchvogel rezensiert

Mabel Esther Allan: Sommer der Enttäuschung

Die Geschichte über einen Wendepunkt im Familiengefüge der 13jährigen Candy im original 70er-Jahre-Temporalkolorit.

Buchcover von Sommer der Enttäuschung, es zeigt ein gezeichnetes Mädchen, schwarz auf gelb
Wurde 1979 in Deutschland
veröffentlicht und ist damit so
alt wie die Buchvogel-Bloggerin
Roman, 171 Seiten

Woher
cherschrank Ettlingen

Gelesen 
als Buch



Zusammenfassung

Am 18. Hochzeitstag ihrer Eltern wacht die 13-jährige Candy früh auf. Auch ihre Mutter ist schon wach und die beiden gehen spazieren. Die Mutter wirkt verändert, was Candy sehr beunruhigt. Bald schon stellt sich heraus, dass dieser Morgen der Beginn einer tiefen Veränderung in der Familie ist. Denn, so die Mutter später, an diesem Morgen wachte sie auf und war auf einmal wieder der Mensch, der sie war, bevor sie geheiratet hatte. 
Die Familie plant den Sommerurlaub und die Mutter setzt sich durch, was sie sonst nie getan hat: Es soll in die Schweiz in den Urlaub gehen. Während der Vater allerlei Bedenken anbringt, z.B. woher er seine englischen Zeitungen bekommen soll und ob die Leute dort auch englisch sprechen, und sicherlich wird ihm das Klima nicht bekommen, freuen sich Mutter und Töchter sehr auf den Urlaub und auf das Neue, dass sie dort sehen werden. 
Der Urlaub wird zum Wendepunkt für alle.  




Persönlicher Eindruck

Das ist ein klassischer Fall, warum ich Bücherschränke so liebe, denn dieses Buch hätte ich mir nie gekauft. Aber die Inhaltsangabe hatte mich gefesselt: 
"Dies ist kein Buch, das die Scheidung befürwortet. Es ist auch kein Buch für Erwachsene, sondern eins für junge Leser. Junge Menschen aber müssen irgendwann einmal erfahren, daß das Glück und die Stabilität ihrer Familie nichts ist, das ihnen wie selbstverständlich in den Schoß fällt oder für alle Zeiten garantiert ist." 
Hmm, da hatte es der Verlag nötig, die Leser zu warnen, zu belehren und sich über das Thema zu entschuldigen ... und tatsächlich: Erscheinungsjahr 1979
Beim kurzen Reinlesen ins Buch zeigte sich aber, dass es zwar keinen schulmeisterlichen Tonfall hat aber viel 70er-Jahre; das hat mich so gereizt, dass ich das Buch unbedingt mitnehmen musste! 

Interessant aus heutiger Sicht sind die geschilderten Umstände, wie z.B. das Erstaunen darüber, dass ein Schweizer Chalet Telefon hat, obwohl doch gar keine Drähte gespannt sind. Und auch die Verhältnisse zwischen Eheleuten, z.B. dass die Mutter mit der Heirat ihre Schriftstellerkarriere aufgegeben hat, weil ihr Mann das so wollte und auch kein eigenes Geld verdiente. ("Und es ist scheußlich, wenn man kein eigenes Geld hat. Denk immer dran, Candy. Du musst dein eigenes Geld verdienen, auch wenn du heiratest, was du ja wahrscheinlich mal tun willst.")

Der Roman liest sich flüßig. Candy ist die Erzählerin in Ich-Form, durch ihre Augen lernen wir vor allem ihre Mutter kennen. Noch vor Candy hatte ich vor allem Verständnis für den "Sinneswandel" ihrer Mutter - andererseits ist der beschriebene Sinneswandel auch ziemlich normal für die heutige Sicht. Spannend, wie Candy in diesem Urlaub erwachsen wird, sich selbst zum ersten Mal verliebt und langsam auch viel über das Leben an sich lernt.
 

3 Zitate

Tee, Kaffee, Toast und Eier waren gerade fertig, als Vater hereinkam. Im ersten Augenblick stellte sein Erscheinen die gewohnte Atmosphäre wieder her. Er sah aus wie immer: rundliche Gestalt, ein sympathisches, heiteres Gesicht und allmählich sich lichtendes Haar. Bei Vater gab es keine langen Perioden schlechter Laune. Er konnte nur eine Wut kriegen über Dinge, die ihm nicht gefielen oder die er nicht verstand. 
Er ging direkt auf Mutter zu, küßte sie und überreichte ihr eine kleine Schachtel.
"Ein bedeutsamer Tag, Catherine" sagte er. "Achtzehn Jahre! Wir feiern bestimmt noch goldene Hochzeit."
Goldene Hochzeit, das bedeutete fünfzig Jahre. Ich sah hinunter auf mein Ei, weil ich Mutter nicht anschauen mochte. Ich wollte nicht wissen, was sie von noch weiteren zweiunddreißig Jahren Ehe hielt, die nichts anderes bedeuteten als Kochen, Einkaufengehen, Schnarchenanhören. Ich hätte so gerne gehört, daß ihre Stimme glücklich klang, so als sei diese Vorstellung für sie etwas Wünschenswertes. [S. 18] 

Energisch und schnell spülte Lou die Teller. Weil sie die Arbeit so haßte, versuchte sie sie so rasch wie möglich hinter sich zu bringen. "Es wird ihm schon gefallen, wenn er erst da ist."
"Aber er wird sich unsicher fühlen."
"Er wird es schon überleben", erwiderte Lou mit einem etwas boshaften lachen. "Es wird ihn nicht gleich umbringen, einmal aus seinem Trott aufgescheucht zu werden [...]" [Zufallszitat, S. 40]

Mutter wehrte in fließendem Französisch die Gepäckträger ab und verhandelte mühelos mit den Zollbeamten, die an unserem Gepäck nicht im geringsten interessiert zu sein schienen. Sie veränderte sich übrigens beunruhigend, wenn sie diese fremde Sprache sprach. Sie hatte wahrhaftig in diesen achtzehn Jahren nichts verlernt. Es gab keinen Zweifel - wir hatten die ganze Zeit eine Fremde in unserer Mitte gehabt. [S. 52]

und hier der Link zu Amazon 

1 Kommentar:

  1. Klingt richtig toll und interessant, das Buch werde ich mir auf jeden Fall mal vormerken! Hast du Lust auf einen gegenseitigen Follow?

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